Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Oktober 2022 entschieden: Von Eritreer:innen mit subsidiärem Schutzstatus kann nicht verlangt werden, einen eritreischen Pass zu beschaffen, wenn sie dafür bei der eritreischen Auslandsvertretung eine sogenannte „Reueerklärung“ abgeben müssen. Mit der „Reueerklärung“ müssen Eritreer:innen unterschreiben, dass sie eine Straftat begangen haben, indem sie Eritrea ohne staatliche Erlaubnis verlassen haben und ihren Wehrdienst nicht vollständig abgeleistet haben. Ohne diese Erklärung bekommen sie von den eritreischen Auslandsvertretungen keine Dokumente ausgestellt.
In anderen Bundesländern haben die jeweils zuständigen Ministerien mittlerweile Erlasse an die Ausländerbehörden herausgegeben, die genau benennen unter welchen Voraussetzungen Eritreer:innen mit subsidiärem Schutz nun ein Passersatz auszustellen ist. Eine Bestätigung der eritreischen Auslandsvertretung, dass die Abgabe der „Reueerklärung“ von der konkreten Person verlangt wird, ist dabei explizit nicht erforderlich.
„In Rheinland-Pfalz gibt es nicht nur keinen entsprechenden präzisierenden Erlass, sondern es wird für zumutbar gehalten, dass Menschen, denen nach Rechtsprechung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts die Beschaffung eines eritreischen Passes nicht zumutbar ist, dennoch bei der Auslandsvertretung ihres Verfolgerstaates vorsprechen, um sich von diesem die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit bestätigen zu lassen“, so Ann-Christin Bölter, rechtspolitische Referentin des Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz. „Das kann nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sein.“
Der Flüchtlingsrat RLP e.V. und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP haben deshalb eine Unterschriftensammlung gestartet, um das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz (MFFKI) gemeinsam mit Betroffenen aufzufordern, in einem Erlass klarzustellen, dass Eritreer:innen in Rheinland-Pfalz nicht den häufig erniedrigenden und retraumatisierenden Weg über die eritreische Botschaft gehen müssen, um den deutschen Behörden zu beweisen, dass sie dort ohne „Reueerklärung“ keine Dokumente bekommen. Es wird gefordert, in dem Erlass klarzustellen, dass subsidiär schutzberechtigte Eritreer:innen einen Reiseausweis für Ausländer erhalten sollen, ohne zur Botschaft zu müssen.
„Es ist für mich unzumutbar, einen eritreischen Pass zu beschaffen. Ich muss direkt das Regime unterstützen, das mich zur Flucht gezwungen und misshandelt hat, indem ich 2 % von meinem Bruttolohn zahle und mich dafür entschuldige ein Land verlassen zu haben, indem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wenn ich Kontakt mit der eritreischen Botschaft aufnehme, habe ich Angst, dass meine Familie in Eritrea politischer Verfolgung ausgesetzt wird.
Ich bin aus Eritrea geflohen, um in Deutschland Schutz und Sicherheit zu finden und habe
alles dafür getan hier ein neues Leben aufzubauen“ so Semere A.W.
Den meisten Menschen, die aus Eritrea geflüchtet sind, geht es genauso. Sie bereuen
nicht, aus der Diktatur geflohen zu sein. „In der Praxis führt diese Vorgehensweise
bedauerlicherweise häufig zu einem ewigen Kreislauf der Passlosigkeit. Dies führt dazu,
dass Eritreer:innen nicht aus Deutschland ausreisen können und hemmt gleichzeitig die
Integration enorm“ so Pierrette Onangolo Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates RLP e.V.
Die Unterschriftensammlung haben innerhalb von einer Woche bereits über 1000
Menschen unterschrieben. Sie kann auch weiterhin unterstützt werden: (Link zur
Unterschriftensammlung: https://chng.it/YQqxpHYmWT). Die Unterschriften sollen im
Rahmen einer Kundgebung am 02.06.2023 um 12 Uhr auf dem Ernst-Ludwig-
Platz/Jubiläumsbrunnen an Integrationsministerin Katharina Binz übergeben werden.
gez.:
• Pierrette Onangolo, Geschäftsführerin, Flüchtlingsrat RLP e.V.
• Ann-Christin Bölter, rechtspolitische Referentin Initiativausschuss