Humanität und Solidarität geht anders! PRO ASYL und die Flüchtlingsräte fordern weitere Flüchtlingsaufnahmen aus Griechenland – Schluss mit Abschiebungen zurück ins griechische Elend

Während die Bundesregierung Asylsuchende und bereits anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland ausfliegt, halten deutsche Behörden an Abschiebungen ins dortige Elend fest. PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern, mehr Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen und Abschiebungen nach Griechenland zu stoppen.

„Es ist ein Gebot der Menschenwürde und des Flüchtlingsschutzes, international Schutzberechtigte, die aufgrund der elenden Verhältnisse in Griechenland nach Deutschland weiterfliehen, genauso zu behandeln wie diejenigen Menschen, die organisiert aus Griechenland aufgenommen werden. Tausende anerkannte Flüchtlinge leben hier in einer unerträglichen Limbo-Situation. Ihnen muss ebenfalls ein sicheres Aufenthaltsrecht gewährt werden. Für Schutzsuchende im Dublin-Verfahren muss das BAMF ohne Wenn und Aber die Zuständigkeit für das Asylverfahren übernehmen“, sagt Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung von PRO ASYL.

2750 Schutzsuchende dürfen nur der Anfang sein.
Angesichts der dramatischen Situation von Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln sah sich die Bundesregierung in den letzten Monaten gezwungen, der Aufnahme von rund 2.7501
Schutzsuchenden aus Griechenland zuzustimmen. Auch wenn diese Aufnahmezusagen beschämend gering sind, sind sie dennoch ein implizites Eingeständnis der Bundesregierung, dass die Lebensbedingungen für Schutzsuchende und anerkannte Flüchtlinge in Griechenland
menschenunwürdig und unzumutbar sind.

Zweierlei Maß: Wer eigenständig kommt, dem droht die Abschiebung
Asylsuchende, die es eigenständig aus Griechenland nach Deutschland schaffen, werden vom BAMF hingegen in aller Regel abgelehnt, ihnen droht die Abschiebung nach Griechenland. Alleine im ersten Halbjahr 2020 schickte das BAMF 2.768 Anfragen zur Übernahme im Rahmen der Dublin-IIIVerordnung nach Athen – fast genauso viele wie Aufnahmezusagen erteilt wurden.
In weiteren 352 Fällen wurde Griechenland zwischen Januar und April 2020 bilateral von deutschen Behörden wegen der Rücknahme von Flüchtlingen angefragt, die dort einen Schutzstatus haben. Neben rund 200 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sowie 243 behandlungsbedürftigen Kindern mit ihren engsten Familienangehörigen sollen insgesamt 408 Familien (1.553 Personen) aus Griechenland aufgenommen werden, die dort bereits internationalen Schutz erhalten haben.

Anerkannte Flüchtlinge verelenden in Griechenland
PRO ASYL und seine griechische Partnerorganisation „Refugee Support Aegean“ (RSA)
dokumentieren seit Jahren die Situation von Schutzberechtigten in Griechenland und haben
mehrfach darauf hingewiesen, dass Schutz in Griechenland nur auf dem Papier existiert. In einer kürzlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereichten Stellungnahme kommen die beiden Organisationen zu dem Schluss, dass sich die Lage von Schutzberechtigten in Griechenland in jüngster Zeit weiter verschlechtert hat. Menschen, die mit internationalem Schutz nach Griechenland abgeschoben werden, landen dort in der Obdachlosigkeit, erhalten in der Praxis keinen Zugang zu elementaren Leistungen und können auch sonst auf keine Unterstützung von staatlicher Seite hoffen. Ihnen droht innerhalb kürzester Zeit Verelendung und ein Leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse dieser Stellungnahme ist hier zu finden.

In Deutschland ein Leben zwischen Baum und Borke
Selbst wenn eine Abschiebung nach Griechenland abgewendet werden kann, sind die Belastungen für Tausende Betroffene enorm. Lange Gerichtsverfahren in ständiger Angst vor Abschiebung, monatelange Isolation in Erstaufnahmeeinrichtungen und Ankerzentren ohne Zugang zu Sprachkursen, Schule und Arbeitsmarkt zermürben die betroffenen Schutzsuchenden. Es besteht kein Anspruch auf Sozialleistungen. Im besten Fall wird am Ende gerichtlich ein sogenanntes Abschiebungsverbot festgestellt. Weitergehende Rechte, die den Betroffenen als international Schutzberechtigte zustehen, bleiben ihnen meist verwehrt.
Endlich ankommen: Flüchtlingsrechte für die Anerkannten aus Griechenland
Die Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums vom 9. Oktober 2020 zur Aufnahme von 1.553 international Schutzberechtigten aus Griechenland zeigt, dass es rechtliche Spielräume gibt, Menschen mit Schutzstatus in Griechenland mit sicherem Aufenthaltsrecht und weitgehenden Rechten in Deutschland auszustatten. Die rechtlichen Spielräume müssen von deutschen Behörden auch für all jene vollumfänglich ausgeschöpft werden, die eigenständig von Griechenland nach Deutschland weiterfliehen.

Zum Tag der Menschenrechte 2020: Die Debatte um Grund- und Menschenrechte schließt Flüchtlinge aus!

Die Corona-Pandemie hat in Deutschland zu einer breiten Debatte um die Einschränkung von
Grund- und Menschenrechten geführt. Wie selten zuvor wird die Verhältnismäßigkeit vieler der
Maßnahmen, die zur Senkung von Infektionszahlen und zur Minimierung des Infektionsrisikos angeordnet werden, hinterfragt und öffentlich diskutiert.

Beispiele sind u.a. die
– Beschränkung sozialer Kontakte;
– Einschränkung der Bewegungsfreiheit;
– Besuchsverbote in Pflegeheimen;
– Einschränkung der Berufsfreiheit durch Schließung von Gastronomie und Kulturbetrieben;
– Einschränkung des Zugangs zu Bildungsinstitutionen
Viele dieser und weitere Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten treffen Geflüchtete, Schutzsuchende und geduldete Personen in Deutschland, Europa und der Welt – unabhängig von einer Pandemie – jeden Tag. Sie treffen sie, ohne dass die Legitimität des Zwecks der Einschränkungen, ihre Geeignetheit und ihre Angemessenheit in Frage gestellt werden würden.
Zum Tag der Menschenrechte erinnern der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP, der AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V. und Aktiv für Flüchtlinge RLP daran, dass auch Menschen mit Fluchtoder Migrationsgeschichte Trägerinnen von Grund- und Menschenrechten sind – und zwar unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status.

Die aktuelle Debatte blendet das nahezu vollständig aus:

– In Sammelunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen sind Bewohnerinnen aufgrund der dortigen Lebensumstände einem dreifach erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Das RobertKoch-Institut sieht in Sammelunterkünften für Flüchtlinge folgerichtig eine der „Ursachen für den starken Anstieg“ der Infektionszahlen.
– Ausbrüche in Flüchtlingsunterkünften führen immer wieder dazu, dass ganze Einrichtungen
und hunderte nicht-infizierte Bewohnerinnen unter Quarantäne gestellt und in den Unterkünften festgesetzt werden. In Rheinland-Pfalz standen zuletzt die Erstaufnahmeeinrichtung in Hermeskeil und ihre fast 700 Bewohnerinnen unter Quarantäne.
– Mitten in der Pandemie werden Menschen durch Abschiebungen in vom Robert-Koch-Institut
ausgewiesene Risikogebiete gefährdet. Die Bundesregierung bemüht sich sogar um Abschiebungen nach Afghanistan, wo derzeit nach Schätzungen der afghanischen Regierung etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert und direkt von der Pandemie betroffen ist.

Alle Halbjahre wieder, droht ein Ende des Abschiebestopps ins Kriegsland Syrien – landesweite Organisationen fordern: „Syrien ist nicht sicher, keine Abschiebungen nach Syrien!“

Wie vor einem halben Jahr soll bei der Innenministerkonferenz, die vom 09. bis 11. Dezember 2020 in Weimar und virtuell stattfindet, über den bestehenden Abschiebestopp nach Syrien entschieden werden. Einige CDU-geführte Bundesländer liebäugeln mit einer Lockerung des Abschiebestopps, ein wichtiges Instrument, das Flüchtlinge aus Syrien Schutz bietet. Wenn es nach den Befürwortern dieser Lockerung ginge, sollten zumindest Straftäter*innen und Gefährder*innen in das Bürgerkriegsland abgeschoben werden.

Folgende Fakten machen deutlich, dass dieser Abschiebestopp nicht in Frage gestellt werden darf, und zwar für alle Menschen aus Syrien:

  • In Syrien tobt seit 2011 ein Krieg, der unzählige Opfer gefordert und mehr als 6,6 Millionen Personen zur Flucht gezwungen hat (Global Trends UNHCR 2020). Das ist weltweit die höchste Zahl an Flüchtlingen, ein trauriger Rekord. Sie alle entfliehen Giftgasangriffen, Bombardierungen – auch von zivilen Einrichtungen, sogar von Krankenhäusern oder Schulen – und der willkürlichen Zerstörung ihres Umfelds.
  • Das Assad-Regime herrscht seit mehreren Jahrzehnten über das Land: Wer das Regime kritisiert, dem droht Verhaftung mit bestialischer Folter, Ermordung oder Verschwindenlassen[1].
  • Seit Beginn des Jahres konzentrieren sich die Kämpfe im Nordwesten des Landes an der Grenze zur Türkei. Laut Malteser International sind allein in der Region um Idlib fast drei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen[2].
  • In Deutschland befinden sich derzeit ca. 767.296 (Ausländerzentralregister, Stand Juni 2019) Menschen aus Syrien die hier Zuflucht gesucht haben. Auch wenn die Schutzquote hoch ist, leben die Abgelehnten in Angst und Unsicherheit.
  • Rückkehrer* gelten als geflüchtete Oppositionelle oder werden der Desertion verdächtigt und sind bei einer Wiedereinreise in Syrien besonders gefährdet.[3]
  • Die Covid-19 Pandemie hat Syriens Grenzen erreicht und die Zahlen steigen im ganzen Land seit Juli an. Das Land, das vom Krieg gebeutelt ist, kann dieser neuen Krisensituation nicht mehr viel entgegensetzten. Gerade in den Flüchtlingscamps ist die hygienische Lage katastrophal. Wenn Corona eines dieser Lager mit seinen tausenden Bewohner*innen erreicht, wird der Virus nicht mehr zu stoppen sein.

Vor diesem Hintergrund halten wir als AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V., Aktiv für Flüchtlinge RLP und Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP eine Aufhebung des zurzeit geltenden Abschiebstopps für unverantwortlich. Wir begrüßen die bisherige Haltung der Landesregierung Rheinland-Pfalz, sich davon zu distanzieren und bitten den Innenminister, sich bei der bevorstehenden Innenministerkonferenz dafür einzusetzen, dass der Abschiebestopp nach Syrien um mindestens ein Jahr verlängert wird.


[1] https://www.amnesty.de/jahresbericht/2019/syrien

[2] https://www.malteser-international.org/de/hilfe-weltweit/naher-osten/syrien/der-buergerkrieg-in-syrien-ein-ueberblick.html

[3] Der Schlepper Nr. 98 09/2020 Seite 11

Keine Abschiebungen während einer Pandemie!

Die unterzeichnenden Organisationen fordern anlässlich der Innenministerkonferenz am 9.-11. Dezember 2020 ein bundesweites Abschiebungsmoratorium. Während der COVID-19-Pandemie sind Abschiebungen nicht zu verantworten.
Die Bundeskanzlerin hat eindringlich dazu aufgerufen, auf überflüssiges Reisen zu verzichten. Das muss auch für Abschiebungen in Staaten, wie zum Beispiel Afghanistan, aber auch Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung, wie zum Beispiel Italien, gelten. Insbesondere in den Wintermonaten ist in vielen der besonders von der Pandemie betroffenen Länder nicht mit einer schnellen Besserung zu rechnen. Die Unterzeichnenden verweisen auch auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes. Abschiebungen sollten mindestens bis April 2021 ausgesetzt werden. Keine Abschiebungen aus oder in Risikogebiete während einer Pandemie!

Der komplette Aufruf sowie die Liste der Unterzeichner*innen können dem Dokument in der Anlage entnommen werden.

Kampagne: Keine Abschiebungen nach Syrien #SyriaNotSafe

Anlässlich der Innenminister*innenkonferenz vom neunten bis elften Dezember 2020 starten wir die Kampagne „Keine Abschiebungen nach Syrien #SyriaNotSafe“. Dort wird unterem anderen der Abschiebestopp nach Syrien, der noch bis Ende dieses Jahres gilt, neu verhandelt. Aktuell fordern vor allem viele CDU- und CSU-Politiker*innen eine Aufhebung des Abschiebestopps nach Syrien, darunter auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Sollte der Abschiebestopp aufgehoben werden, werden Menschen in einen Folterstaat abgeschoben.
Deshalb fordern wir: Keine Abschiebungen nach Syrien. Syrien ist nach wie vor nicht sicher und Abschiebungen dorthin wären menschenunwürdig.

Angelehnt an die #afghanistannotsafe-Kampagne des Bayerischen Flüchtlingsrates und die #SyriaNotSafe-Kampagne von adoptarevolution, haben wir Druckvorlagen für Sticker (DIN A7) und Banner (2m x 1m) sowie Social-Media-Dateien (für Facebook und Instagram) erstellt, die keine Abschiebungen nach Syrien fordern.

Verteilt die Sticker in Eurer Stadt, hängt die Banner zu Euren Fenstern raus und postet die Share-Pics auf Euren Sozialen Medien mit dem Hashtag #SyriaNotSafe. Wir wollen deutlich machen, dass wir gegen Abschiebungen nach Syrien sind, und das sollen so viele Menschen wie möglich wissen!

Die Druckvorlagen sowie die Sharepics können hier entnommen werden: https://fluechtlingsrat-rlp.de/wissenswertes-und-praktisches/archiv