Gemeinsame Position des Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP und des Flüchtlingsrat RLP e.V.
Im Mai 2024 hat der Bundesgesetzgeber die Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz verankert. Er hat damit eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen, mit der geflüchteten Personen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz „ausgezahlt“ werden können. Die Bezahlkarte wird aber keine der bisherigen Leistungserbringungsformen – Sachleistungen, Wertgutscheine, andere vergleichbare unbare Abrechnungen oder Geldleistungen – ablösen, sondern „on top“ dazukommen. Die Berechnung und die Auszahlung von Leistungen wird künftig daher noch komplexer und fehleranfälliger werden als sie es jetzt schon ist. Die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete wird folglich weder zu Einsparungen bei den Kommunen noch zur Entlastung der Mitarbeitenden in den dortigen Leistungsbehörden führen. Die Bezahlkarte ist und bleibt vielmehr ein Instrument der Drangsalierung von Geflüchteten, denen das Leben in Deutschland schwer gemacht oder die davon abgehalten werden sollen, in Deutschland Schutz vor Gefahr für Leib und Leben zu suchen. Wir haben die rheinland pfälzische Landesregierung deshalb in der Vergangenheit mehrfach für ihre Zustimmung zur Einführung der Bezahlkarte kritisiert und halten diese Kritik weiterhin aufrecht!
Zugleich treten wir den aktuellen Versuchen u.a. von Kommunalen Spitzenverbänden in Rheinland-Pfalz entgegen, im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung der Bezahlkarte auf kommunaler Ebene weitergehende Restriktionen bei ihrer Ausgestaltung einzufordern. Anders als andere Landesregierungen hat die rheinland-pfälzische Landesregierung sich im Rahmen der ihr verbleibenden Möglichkeiten pflichtgemäß darum bemüht, die Modalitäten der Bezahlkarte – nicht zuletzt auch im Interesse der Kommunen – so „rechtssicher“ und „verwaltungsfreundlich“ wie möglich zu gestalten. Das gilt es anzuerkennen!
Gleichwohl stellen z.B. die Limitierung des monatlich abhebbaren Bargeldbetrages und die Einschränkung von Finanztransaktionsmöglichkeiten tiefe und aus unserer Sicht diskriminierende Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht derjenigen dar, die künftig ganz oder teilweise Leistungen über eine Bezahlkarte erhalten werden.
Wenn Vertreterinnen der kommunalen Familie in Rheinland-Pfalz das Bemühen der Landesregierung um die Handhabbarkeit und Rechtssicherheit der Bezahlkarte jetzt als Ausdruck von ideologischer Gefühlsduselei diskreditieren und für noch restriktivere Rahmenbedingungen eintreten, erwei-sen sie den Kommunen damit einen Bärendienst. Deren Mitarbeiterinnen wären dann bei der Leistungsberechnung, Leistungsbescheidung und Leistungserbringung noch viel stärker gefordert als sie es ohnehin schon sein werden. Denn jede weitere Restriktion wird zur Steigerung der Antragszahlen von Karteninhaber*innen auf individuelle Leistungsgewährung führen und den Mitarbeitenden zeitintensive und fehleranfällige Ermessensentscheidungen im Einzelfall abverlangen. Noch mehr Widersprüche und noch mehr Rechtsmittel gegen Antrags- und Leistungsbescheide sind dann vorprogrammiert.
Es gibt weit und breit kein einziges sachlich überzeugendes und belastbares Argument für die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete in den Kommunen in Rheinland-Pfalz und erst recht nicht für Restriktionen, die über die derzeit vom Land vorgesehenen hinausgehen. Wir wissen, dass diese Tatsache vielen Verantwortungsträger*innen in den rheinland-pfälzischen Kommunen bewusst ist. Wir wissen aber auch, dass es vielen von ihnen angesichts des aktuellen Debattenverlaufs schwerfällt, klar und deutlich „Nein!“ zur Bezahlkarte zu sagen oder mindestens den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände in Rheinland-Pfalz nach noch mehr Restriktionen entgegenzutreten. Gleichzeitig hoffen wir weiterhin darauf: im Interesse der Geflüchteten ebenso wie im Interesse derer, die vor Ort in den Leistungsbehörden der Kommunen schon jetzt extrem belastet sind.
Die Landkreise und kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz sind zur Einführung einer Bezahlkarte nicht verpflichtet. In unserem Nachbarbundesland Nordrhein-Westfalen, wo die Kommunen – wie in Rheinland-Pfalz – „Nein!“ zur Bezahlkarte sagen können, haben bereits jetzt über 60 Kommunen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Aus guten Gründen!
gez.
- Dr. Natalie Lochmann, Geschäftsführerin Flüchtlingsrat RLP e.V.
- Torsten Jäger, Geschäftsführer Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP