Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember

Liebe Menschenrechte,

vorab herzlichen Glückwunsch zu Eurem 75. Geburtstag am 10. Dezember!

Ihr wurdet 1948 verkündet, weil Eure Nichtanerkennung zu Akten der Barbarei geführt hatte, die das Gewissen der Menschheit noch heute mit Empörung erfüllen. Ihr solltet als Konsequenz daraus künftig die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bilden. Angesichts der Krisen in der Welt und angesichts der Krisen hier bei uns wäret ihr heute wichtiger denn je.

Aber leider seid ihr in einem erbärmlichen Zustand. Nicht nur anderswo und irgendwo, sondern auch direkt vor unserer Haustür. An der Schwelle des – so nennt sich die Europäische Union – „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes“, wo man Menschen auf der Flucht den Einlass verweigert und ihnen mit einem Schulterzucken beim Verhungern, Ertrinken oder Erfrieren zusieht. Und nicht nur an der Schwelle des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes“, sondern auch mitten in diesem Raum, hier in Deutschland, wo man Euch- migrationspolitisch motiviert – relativiert und denjenigen vorenthalten will, die nach nichts anderem suchen als nach Schutz und einem Leben in Sicherheit und Würde.

Es ist nicht Eure Schuld, dass ihr über die Jahre bis fast zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurdet. Es ist die Schuld derer, die Euch zwar für sich selbst ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, aber unter Krokodils-Tränen behaupten, dass ihr eben leider nicht für alle reicht – weil angeblich zwar das Herz weit ist, die Möglichkeiten aber eben endlich sind. Viele von denen, die Euch heute wortreich gratulieren, haben aktiv zu Eurem Verfall beigetragen und manche von ihnen können es in Wahrheit kaum abwarten, bis ihr endlich endgültig das Zeitliche segnet.

Aber Totgesagte leben manchmal länger und nicht nur die Zahl derjenigen wächst, die Eure Gültigkeit für alle Menschen in Abrede stellen und Euch damit kaputt machen wollen. Es wächst auch die Zahl derer, die hiergegen Widerstand leisten: Menschen, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahren, Menschen, die Flüchtlinge beraten, begleiten und unterstützen, Menschen, die sich durch Petitionen und Demonstrationen für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen, Menschen, die flüchtlingsfeindlichen Parolen in privaten Gesprächen oder im öffentlichen Raum beherzt entgegentreten.

Manche setzen sich für Euch ein, weil sie zutiefst überzeugt sind, dass jeder Mensch das Recht hat, ein Leben in Freiheit und ohne Furcht und Not zu führen. Andere „nur“ deshalb, weil sie Angst davor haben, irgendwann selbst Furcht und Not erleiden zu müssen, wenn Menschen sich erst anmaßen dürfen darüber zu entscheiden, wem ihr zusteht und wem nicht. Beide sind wichtig und für beide sind wir dankbar.

Mit ihnen feiern wir heute Euren 75. Geburtstag – fest davon überzeugt, dass es keine Alternative zu Euch gibt, fest davon überzeugt, dass alle, die uns das glauben machen wollen, Schlechtes im Schilde führen und fest davon überzeugt, dass ihr trotz allem stärker und beständiger seid, als die es gerne hätten.

Ad multos annos und solidarische Geburtstagsgrüße!

  • Pierrette Onangolo, Flüchtlingsrat RLP e.V.
  • Torsten Jäger, Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP