Erklärung zum Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern

Mainz, den 08. Mai 2023


Zur Position der Bundesregierung zum „Flüchtlingsgipfel“ von Bund und Ländern am kommenden Mittwoch erklären der Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz und der Flüchtlingsrat RLP e.V.:
Der am Wochenende bekannt gewordene Entwurf des Beschlussvorschlags des Bundeskanzleramtes vom 6. Mai 2023 für den „Flüchtlingsgipfel“ von Bund und Ländern am kommenden Mittwoch ist ein Skandal.


Er sieht keine weitere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder und Kommunen für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten vor. Stattdessen kündigt er eine Politik der Grausamkeit gegenüber Schutzsuchenden in Deutschland und an den EU-Außengrenzen an. Die Botschaft an Länder und Kommunen heißt: „Ihr stemmt die aktuellen Herausforderungen ohne weitere Unterstützung und dafür halten wir Euch in Zukunft die Geflüchteten vom Hals.“

Hauptherkunftsländer von Schutzsuchenden sind derzeit Syrien, Afghanistan, die Türkei, der Irak und der Iran. Von Januar bis April 2023 kamen mehr als zwei Drittel der Asylerstantragsteller*innen in Deutschland aus diesen fünf Ländern. Die bereinigte Gesamtschutzquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesem Zeitraum lag mit 72,4 Prozent auf absolutem Rekordniveau. Viele der vom BAMF abgelehnten Asylbewerber*innen haben oder werden zudem auf dem Klageweg noch eine Schutzzuerkennung erhalten. Im vergangenen Jahr bekamen ca. 25 Prozent aller hiergegen klagenden abgelehnten Asylbewerber*innen durch Gerichtsentscheidung doch noch einen (besseren) Schutzstatus zuerkannt.

Wenn der Bund angesichts dieser Fakten die Integration von Geflüchteten vor Ort nicht zeitnah und sehr viel stärker als bisher auch finanziell unterstützt, dann kommt das einer unterlassenen Hilfeleistung gleich, die sich nicht nur gegen Länder und Kommunen richtet, sondern auch gegen die Integrationsperspektiven der Geflüchteten und damit gegen den gesellschaftlichen Frieden.

Diese unterlassene Hilfeleistung dann auch noch mit der Ankündigung grundrechtswidriger Maßnahmen zur Abschiebungserleichterung und zum Ausbau des Grenzregimes an den EU-Außengrenzen (z.B. durch De facto-Haftlager) zu flankieren, ist der durchschaubare Versuch eines Kuhhandels, der von Realitätsverlust oder – schlimmer noch – von organisierter Menschenrechtsvergessenheit zeugt:
Mit zwei Äxten gleichzeitig will die Bundesregierung auf das deutsche und auf das europäische Flüchtlingsrecht einschlagen und damit Menschen, die aus guten Gründen in der EU und in Deutschland Schutz suchen, jede Perspektive nehmen.

Das ist nicht der im Koalitionsvertrag angekündigte Paradigmenwechsel, sondern eine angstgetriebene und populistische Rolle rückwärts von SPD, Grünen und FDP hin zur Drangsalierung von Geflüchteten und zu einem Europa der Mauern und des Stacheldrahts. Hin also zu den feuchtesten Flüchtlings-Abwehr-Träumen des früheren CSU-Innenministers Horst Seehofer, gegen die sich SPD und Grüne seinerzeit zurecht gestemmt haben und die damals aus guten Gründen unerfüllt geblieben sind.
gez.:
Torsten Jäger, Geschäftsführer Initiativausschuss
Annika Kristeit, Referentin Flüchtlingsrat RLP e.V.