Massive Verschärfungen durch das Migrationspaket
Die rheinland-pfälzische Landesregierung muss verbleibende Spielräume nutzen!
Das von Bundestag und Bundesrat im Sommer verabschiedete sogenannte „Migrationspaket“ stellt den traurigen Höhepunkt einer seit 2016 andauernden Welle von Restriktionen gegen Flüchtlinge dar. „Der Bund hat die gesetzlichen Rahmenbedingungen derart verschärft, dass Bundesländer, die eine humanitäre Flüchtlingspolitik betreiben wollen, diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden können“ sagt Torsten Jäger, Geschäftsführer des Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP. „Ihnen bleibt oft nur, die wenigen verbleibenden Gestaltungsspielräume zu nutzen, um die schlimmsten Härten für die Betroffenen abzumildern.“
Der AK Asyl-Flüchtlingsrat RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP erkennen an, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung sich in wichtigen Bereichen hierum bemüht, indem sie:
– erklärt hat, an dem Trennungsgebot von Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen festhalten zu wollen;
– die Voraussetzungen für ein Bleiberecht bei nachhaltiger Integration (§25b Aufenthaltsgesetz) zugunsten der Betroffenen konkretisiert hat;
– sichergestellt hat, dass Ausreisepflichtige dauerhaft Leistungen nach dem AsylblG erhalten müssen, wenn ihnen sonst die Obdachlosigkeit droht.
„Die kürzlich versuchte Selbstverbrennung eines Flüchtlings in der Erstaufnahmeeinrichtung in Her-meskeil macht aber deutlich, dass vor allem im Hinblick auf die Situation in den Erstaufnahmeein-richtungen weiterer dringender Handlungsbedarf besteht“, erklärt Pierrette Onangolo, Geschäftsführerin des AK Asyl – Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz e.V. Das Migrationspaket macht aus diesen Einrichtungen endgültig Orte der Isolation und der Perspektivlosigkeit.“
Die Landesregierung muss deshalb alle ihre Gestaltungsspielräume nutzen, um die frühzeitige, umfassende und unabhängige Asylverfahrensberatung und die psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, des Landes zu gewährleisten und die Verweilpflicht insbesondere von vulnerablen Asylsuchenden (Krankheit, Traumatisierung, alleinstehende Frauen) in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verkürzen.
Der AK Asyl-Flüchtlingsrat RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP erwarten zudem, dass die Landesregierung die Bemühungen anderer Bundesländer um mehr Eigenständigkeit bei der Aufnahme von Schutzsuchenden unterstützt und entsprechende eigene Initiativen entfaltet:
– Das Land Berlin will über eine Bundesratsinitiative erreichen, dass die Einrichtung humanitärer Aufnahmeprogramme der Länder künftig nicht mehr des Einvernehmens mit dem Bundesinnenministerium bedarf. Somit könnten die Länder selbst mehr Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen und gleichzeitig unkomplizierte Hilfe für Geflüchtete leisten. Sowohl im Hinblick auf die – bislang nicht abschließend geregelte – Aufnahme aus Seenot geretteter Flüchtlinge als auch auf die Situation der Flüchtlinge in Libyen und dem Libanon wäre das sinnvoll und angemessen.
– Unabhängig vom Erfolg der Berliner Bundesratsinitiative sollte die rheinland-pfälzische Landesregierung sofort das Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister herstellen und ein eigenständiges Landesaufnahmeprogramm für Schutzsuchende auflegen, die Krieg und Krisen entkommen und jetzt in erbärmlichen Verhältnissen vor den Toren oder an den Rändern Europas gestrandet sind und dort zum Teil seit Jahren ausharren müssen. Bis 2016 fuhr das Land Rheinland-Pfalz ein solches Aufnahmeprogramm, danach lief es aus und wurde es nicht wieder aufgelegt. Andere Bundesländer wie z.B. Schleswig-Holstein und Thüringen haben ihre Aufnahmeprogramme weiter betrieben oder neue Aufnahmeprogramme aufgelegt.
Angesichts der massiven asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen durch das Migrationspaket und angesichts der fortbestehenden Notsituation von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern außerhalb und an den Rändern der Europäischen Union muss die Landesregierung alles ihr Mögliche tun, um dem Ziel einer humanitären Flüchtlingspolitik so nahe wie möglich zu kommen. „Wir wissen, dass sich nicht überall, wo ein Wille ist, auch ein Weg findet. Aber wo es Wege gibt, da müssen sie im Interesse von Menschenrechten und Humanität beschritten werden. Nicht mehr und nicht weniger erwarten wir von der rheinland-pfälzischen Landesregierung.“
gez. Torsten Jäger – Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP
gez. Pierrette Onangolo – AK Asyl-Flüchtlingsrat RLP e.V.