Trotz existierender Absprachen zwischen Land, Kommunen und Kirchen kam es in den letzten Jahren in Rheinland-Pfalz immer wieder zu Angriffen auf das Kirchenasyl. Nach dem Bruch eines Kirchenasyls in Budenheim 2017, Hausdurchsuchungen bei Pfarrer*innen im Hunsrück 2018 und die Androhung durch die ABH Mainz-Bingen ein Kirchenasyl in Darmstadt räumen zu lassen (August 2023), kam es jetzt wieder zu einem Vorfall mit dramatischen Konsequenzen für den Betroffenen.
Am 14.02.2024 verschaffte sich die Polizei nachts Zutritt zu angemieteten Räumen des Kirchenkreises Simmern-Trarbach. Ihr Ziel: Herrn H. mitzunehmen und nach Dänemark zu überstellen. Herr H. hatte in Dänemark bereits fünf Jahre gelebt, dann wurde ihm sein Aufenthaltstitel und damit, wie vielen anderen Syrern, im Rahmen der gängigen restriktiven Asylpolitik im Land, auch seine Arbeitserlaubnis entzogen. Er musste seine Wohnung aufgeben und in ein Ausreiselager umziehen.
Er klagte gegen diese Entscheidung, die Klage wurde aber abgelehnt und er sollte ohne Perspektive im Abschiebelager bleiben, bis er einer „freiwilligen“ Ausreise nach Syrien zustimmen würde. Er floh nach Deutschland, wo sein Bruder lebt. Sein Asylantrag hier wurde abgelehnt, da „Dänemark“ gemäß Dublin-Verordnung für ihn zuständig sei. Er wurde abgeschoben und in Dänemark wegen Verlassens des Abschiebelagers verurteilt. Nach einigen Tagen im Gefängnis wurde er wieder in das Camp überstellt. Verzweifelt und nun in Sorge, als vermeintlich Krimineller nach Syrien abgeschoben zu werden, floh er wieder nach Deutschland.
Nach der erneuten Ablehnung seines Asylantrags suchte er Schutz in einem Kirchenasyl. Er befürchtete nun, da er als „Straftäter“ galt, eine noch härtere Bestrafung aufgrund längerer Abwesenheit.
Die Unterstützer*innen vor Ort betonen, dass das Kirchenasyl nicht dazu dient, das Recht zu brechen, sondern vielmehr darum, dem Recht Gehör zu verschaffen. Kirchenasyl wird eingesetzt, um Menschen vor drohender Abschiebung oder anderen Gefahren zu schützen, insbesondere, wenn sie keine anderen legalen Möglichkeiten haben, Schutz zu finden. Es basiert auf dem Prinzip der christlichen Nächstenliebe und Solidarität.
Die Kirchen handeln wohlüberlegt, basierend auf jahrelanger Erfahrung und einem engen Zusammenwirken, wofür es klare Absprachen zwischen Land und Kirchen gibt. Für Rheinland-Pfalz gibt es eine Absprache, dass vor aufenthaltsbeenden Maßnahmen die Kirchengemeinden informiert werden. Dies ist in diesem Fall nicht passiert. Da stellt sich die Frage, ob die Inhalte dieser Absprache der in diesem Fall zuständigen Ausländerbehörde Neuwied bekannt waren? Besonders brisant wird es, wenn das Integrationsministerium von der geplanten Räumung wusste, jedoch nichts unternahm, die ABH Neuwied auf die Absprachen hinzuweisen. Am Ende blieb eine vorherige Kommunikation aus. Solche Vorfälle erschüttern das Vertrauen der Kirchenmitglieder in Absprachen mit dem Land Rheinland-Pfalz.
Die Unterstützer*innen vor Ort zögerten, die Abschiebung öffentlich zu machen, bevor das Ausmaß der Konsequenzen der Abschiebung für Herrn H. in Dänemark bekannt waren. Doch ihre Sorgen erwiesen sich als berechtigt: Herr H. ist seit seiner Ankunft inhaftiert und nun aktuell zu einer zehn monatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dieser Fall zeigt deutlich, wie aus einer Person, die Schutz sucht, ein vermeintlich Krimineller gemacht wird. Die Angst von Herrn H. vor einer möglichen Abschiebung nach Syrien rückt nun bedrohlich nahe. Ebenso wie bei uns in Deutschland wird die Asylpolitik in Dänemark regelmäßig restriktiver und es kann eine Frage der Zeit sein, wo man dann angebliche Straftäter auch in das Bürgerkriegsland Syrien abschieben wird.
Der Flüchtlingsrat RLP verurteilt diesen Bruch des Kirchenasyls.