AFGHANISTAN IS NOT SAFE – Abschieben kann man trotzdem. Oder doch nicht?
Am 3. Juli veröffentlichten der Flüchtlingsrat RLP e.V., die Diakonie RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik RLP ein Statement zur Abschiebehaft afghanischer Staatsangehöriger. Daraufhin wurde häufig nach der Straffälligkeit der Betroffenen gefragt – dabei wird das Wesentliche verkannt:
Wer das fragt, hat den wichtigsten Punkt nicht verstanden. Die Diskussion über Straftäterinnen und Straftäter dient vielfach als Nebelkerze. Sie verschiebt den Fokus von der rechtlich wie moralisch zentralen Frage: Ist eine Abschiebung nach Afghanistan überhaupt mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar? Die Antwort ist klar: Nein. Und doch strebt die Bundesregierung genau das an.
„Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Seit Monaten sitzen bundesweit 40 bis 50 Afghanen in Abschiebehaft – darunter vier in Rheinland-Pfalz. Sie sind inhaftiert, weil sie so „verfügbar“ bleiben – obwohl ihre Abschiebung absehbar nicht realisierbar ist.
Denn: Afghanistan ist kein sicheres Land. Es bestehen – zu Recht – keine diplomatischen Beziehungen, stattdessen fungieren andere humanitär fragwürdig handelnde Staaten als Vermittler. Bundeskanzler Merz und Innenminister Dobrindt streben dennoch Gespräche mit den Taliban an. Diese zeigen sich offen – unter der Bedingung offizieller Anerkennung. Der Flüchtlingsrat warnt: Eine Zusammenarbeit legitimiert das Taliban-Regime, stärkt Islamismus und gefährdet Menschenrechte.
Die Lage in Afghanistan ist katastrophal: Laut UN-Welternährungsprogramm leiden 88 % der Bevölkerung unter Hunger. Gesundheitsversorgung ist kaum vorhanden. Rückkehrer*innen ohne Beziehungen oder familiäre Netzwerke sind extrem gefährdet. Das BAMF erkannte dies lange an – geändert hat sich nur die politische Haltung in Deutschland, nicht die Situation vor Ort.
Auch das BMZ dokumentiert massive Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban, darunter Folter, willkürliche Gewalt und Inhaftierungen. Der UN-Sonderberichterstatter darf nicht einreisen, der afghanische Innenminister wird vom FBI gesucht – wie soll unter solchen Umständen Sicherheit für Abgeschobene gewährleistet sein?
Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht sich bis zu einer grundlegenden Änderung der Menschenrechtslage vor Ort klar gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus.[1] Diese verstoßen gegen das Refoulement-Verbot aus Art. 3 der EMRK und Art. 4 UN-Grundrechtecharta. Danach darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe droht. Auch lebensgefährliche Umstände wie extreme Armut sind davon erfasst.[2] Dieses Verbot ist absolut, es gilt für alle Menschen.
Wer das unterläuft, gefährdet das Fundament der Menschenrechte.
Wir fordern von der Bundesregierung ein klares Zeichen für Humanität: Abschiebungen nach Afghanistan verstoßen gegen die Menschen- und Grundrechte und kommen daher nicht infrage.
Wir fordern von der rheinland-pfälzischen Landesregierung ein klares Zeichen für eine humane Asylpolitik: Die vier Afghanen in der Ingelheimer Abschiebehaft müssen sofort freigelassen werden.
Denn eines ist klar:
Humanität und Abschiebungen nach Afghanistan schließen sich aus.
Mit dieser Position steht der Flüchtlingsrat RLP e.V. nicht allein dar.
Am 14.07.2025 veröffentlichten der Landesflüchtlingsräte und Pro Asyl eine gemeinsame Presseerklärung zu diesem Sachverhalt:
PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern Abschiebungsstopp für Afghanistan
PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern die Bundesregierung auf, jegliche weitere direkte oder indirekte Gespräche mit der afghanischen Regierung sofort einzustellen und einen förmlichen Abschiebungsstopp für das Land Afghanistan zu verhängen:
[1] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/abschiebungen-nach-afghanistan
[2] Europäischer Gerichtshof (2019): Jawo gegen Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 19.03.2019, C-163/17, Rn. 92.