Ingelheim, 09.09.2025
Dlvin K., eine junge Êzîdin ist seit über vier Jahren in Deutschland. Sie hat den Überfall des IS auf Shingal und den Genozid überlebt. Seitdem hat sie immer wieder Suizidgedanken und schon mehrmals versucht sich das Leben zu nehmen. Erst Anfang August riet ihr ihr Hausarzt zur stationären Aufnahme in einer Psychiatrie und stellte ihr die notwendige Überweisung aus, doch leider ohne Erfolg, es gab keinen freien Platz.Kurz darauf wurde sie durch die Ausländerbehörde Bad Kreuznach in Abschiebehaft genommen, eigentlich nicht in der Lage dieser Belastung Stand zu halten – morgen früh soll sie nach Irak abgeschoben werden.
Bis zum 31. August 2024 galt in Rheinland-Pfalz ein Abschiebestopp für Êzîdinnen und Minderjährige in den Irak. Seitdem verweigert das BMI die Zustimmung für eine Verlängerung obwohl der Bund die Ermordung und Verfolgung der Êzîd:innen als Völkermord anerkannt hat. Die humanitäre Lage in der Region ist weiterhin Katastrophal. Eine Rückführung für Dlvin ist insbesondere vor dem Hintergrund Ihres gesundheitlichen Zustands unzumutbar.
Die Ausländerbehörde Bad Kreuznach muss nun im Rahmen einer Neubewertung des medizinischen Sachverhalts zu dem Schluss kommen, dass eine Rückführung von Dlvin zu einer Retraumatisierung führt und ihren sicheren Tod bedeutet. Angesichts des Familientraumas und der weiterhin unsicheren Lage vor Ort wäre eine Abschiebung absolut verantwortungslos und skandalös.
Jihan Alomar, Dlvins Cousine mahnt: „Wenn man Frauen wie Dlvin in das Land ihres Traumas abschiebt, wo sie als Frau keine Existenz haben kann, kein Recht auf eigene Meinung, auf Arbeit haben kann, dann zerstört Deutschland dieses Frauenleben. Ich glaube dann muss man auch die deutsche Regierung dafür verantwortlich machen, wenn sie, in diesem Fall Dlvin, sich etwas antut. Wir dürfen nicht vergessen, was diese Frauen bereits durchgemacht haben.“
Nina Gartenbach vom Flüchtlingsrat RLP kritisiert das derzeitige Vorgehen: „In Irak hat sich die Situation von Êzîdinnen nicht verbessert – verändert hat sich nur der politische Diskurs in Deutschland, wir hoffen, dass die Landrätin Bettina Dickes in letzter Sekunde doch noch handelt und Frau K. nicht abgeschoben wird.“
Deshalb fordert der Flüchtlingsrat RLP gemeinsam mit Dlvins Familie:
Landrätin Dickes, stoppen Sie die Abschiebung morgen früh, übernehmen Sie humanitäre Verantwortung!
Und für die Zukunft fordern wir
Einen Abschiebestopp für Ezid:innen!
Humanitäres Bleiberecht Bleiberechte für Ezid:innen!
Zum Hintergrund:
Der Völkermord an den Êzîd*innen durch den Islamischen Staat vor 11 Jahren und einem Monat in der Region Shingal ist heute in Deutschland anerkannt, tausende Frauen wurden verschleppt, versklavt und waren Jahre lange sexueller Gewalt ausgesetzt. Zehntausende Leichen wurden in Massengräbern verscharrt und sind immer noch nicht identifiziert oder geborgen. Hunderttausende leben bis heute in Flüchtlingszeltlagern – Sicherheit gibt es für sie noch immer nicht. Die Stadt Shinghal ist weiterhin komplett zerstört, es gibt weder fließendes Wasser, noch eine Infrastruktur für Krankenversorgung oder Bildung – der irakische Staat unterstützt die Êzîd*innen nicht im Geringsten beim Wiederaufbau. Verschiedene bewaffnete Gruppen liegen in der Region im Konflikt, der IS gewinnt im sehr nahe gelegenen Syrien wieder an Stärke, verübt Anschläge – ein menschenwürdiges Leben in den Flüchtlingslagern ist bisher nicht möglich und die Sicherheit, dass sich der Genozid sich nicht wiederholt, gibt es nicht.
In Irak leben keine Verwandten mehr. Ihre Schwester lebt in Australien, ihr Bruder in Deutschland, auch die nächsten Verwandten leben in Deutschland. Sie sind wichtige Personen im Leben von Dlvin, sie geben ihr Sicherheit und helfen ihr ihren Schmerz zu ertragen.
Für weitere Informationen und Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Flüchtlingsrat RLP e.V.
Tel.: 06131/4924734
Mail: info@fluechtlingsrat-rlp.de