Statement zu der Bitte des MFFKI um Reduzierung der Verteilung von Asylsuchenden nach Rheinland-Pfalz infolge des Hochwassers

– hervorgehend aus der Pressemitteilung des Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz vom 23.07.2021

Vergangenen Freitag kündigte das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration (MFFKI) einen vorübergehenden Verteilstopp von Geflüchteten zunächst bis Ende Oktober 2021 in die besonders von dem Hochwasser betroffenen Regionen an. Es ist verständlich, dass diejenigen Gebiete in Rheinland-Pfalz, die besonders stark mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen haben, aktuell keine Kapazitäten haben, um Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Verteilstopp in diese Gebiete bis Ende Oktober 2021 ist deshalb zu begrüßen. Gerade auch deshalb, weil zu der Aufnahme von Flüchtlingen in eine Gemeinschaft mehr gehört, als ihnen ein Dach über dem Kopf anzubieten. 

In dieser Pressemeldung wird auch mitgeteilt, dass Herr Staatssekretär Profit im Namen des Ministeriums die zuständigen Bundesbehörden um eine Reduzierung der Zuteilung von Asylsuchenden nach Rheinland-Pfalz um 50% bis Ende des Jahres gebeten hat.

Diese Bitte lässt uns mit einigen Fragen zurück, die wir in einem Brief an Frau Staatsministerin Binz gestellt haben. Für uns ist es keine logische Konsequenz, die Aufnahme von Flüchtlingen landesweit zu reduzieren.  Wir sorgen uns, dass die Bitte um Reduzierung der Zuteilungen nach Rheinland-Pfalz an die Bundesbehörden als falsches Signal verstanden werden könnte – gerade mit Hinblick auf die Ende September stattfindende Bundestagswahl.

Vor diesem Hintergrund ist es uns ein besonderes Anliegen, dass Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen nicht als „Entweder-Oder“ verstanden werden. Soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, denn diese Art von Symbolpolitik sorgt für eine immer stärkere Spaltung der Gesellschaft.

Nordrhein-Westfalen, unser Nachbarbundesland, welches ebenfalls stark mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen hat, hat bisher keinerlei Absicht zur Reduzierung der Flüchtlingsaufnahme bekannt gegeben und zeigt somit sozialer Zusammenhalt geht auch in Notsituationen.

Nicht mehr und nicht weniger, wünschen wir uns für Rheinland-Pfalz auch. Wir haben in den vergangenen Tagen eine hohe Bereitschaft zur Solidarität in ganz Rheinland-Pfalz – und weit über dessen Grenzen hinaus – sehen können. Mit dabei waren immer auch Geflüchtete. Egal ob in Trier-Ehrang oder im Ahrtal, überall in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten haben uns Menschen die bereits einmal alles verloren hatten gezeigt, dass solidarischer Zusammenhalt nicht von der Herkunft der Menschen abhängt.

Wir haben die Landesregierung unter diesen Aspekten gebeten, die aktuelle Lage in Rheinland-Pfalz neu zu evaluieren und sie dazu aufgefordert, ihrer humanitären Verpflichtung nachzukommen und die Aufnahme von Geflüchteten wie gehabt nach dem „Königssteiner Schlüssel“ zu vollziehen.

Mainz, den 28. Juli 2021

gez.

  • Annika Kristeit, Flüchtlingsrat RLP e.V.
  • Ann-Christin Bölter, Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP

Der Arbeitskreis Asyl setzt sich zur Ruhe – der Flüchtlingsrat RLP e.V. macht weiter!

Eine wichtige Entscheidung bei der diesjährigen Mitgliederversammlung war die Änderung des Vereinsnamens. Nachdem wir jetzt die Bestätigung des Amtsgerichts erhalten haben, dürfen wir ganz offiziell verkünden:

Der AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V. heißt ab sofort

Flüchtlingsrat RLP e.V.

Hiermit ist es die dritte und hoffentlich letzte Namensgebung und damit auch Angleichung an die anderen Landesflüchtlingsräte in Deutschland! Die Vorgängerorganisation, der Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz, wurde bereits in den 80er Jahren gegründet und war stets ein wichtiger, anerkannter Akteur im Flucht- und Migrationsbereich. Im Jahr 2017 erfolgte die Gründung des AK Asyl – Flüchtlingsrates Rheinland-Pfalz e.V. Mit diesem Namen sollte sowohl den Ursprung als auch die neue Ausrichtung des neugegründeten Vereins deutlich gemacht werden.  

Nach vier Jahren guter und erfolgreicher Arbeit unter diesem Namen wurde es Zeit, einen Schritt weiter zu gehen und uns ebenso wie die Flüchtlingsräte anderer Bundesländer zu benennen“ so Pierrette Onangolo, Geschäftsführerin vom Flüchtlingsrat RLP e.V. So wurde bei der letzten Mitgliederversammlung der Vorschlag der Namensänderung eingebracht, die bei der anschließenden Abstimmung mit großer Mehrheit beschlossen wurde.

Wir bedanken uns bei den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises Asyl Rheinland-Pfalz sowie bei den Unterstützer:innen in all den Jahren. Wir werden als Flüchtlingsrat RLP e.V. weiter daran arbeiten, landesweit alle Akteur:innen im Flucht- und Migrationsbereich zu vernetzen und zu informieren, den kritischen Austausch mit den politischen Verantwortlichen weiterzuführen und in der Öffentlichkeit auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam zu machen. Flüchtlingssolidaritätsarbeit soll laut und sichtbar sein, damit eine humane Flüchtlingspolitik kein leeres Wort bleibt.

Einstimmig wurde bei der diesjährigen Mitgliederversammlung ebenfalls ein neuer Vorstand gewählt. Nach vier Jahren schied Uli Sextro als Vorstandsvorsitzender aus dem Vorstand aus. „Wir bedanken uns bei ihm für sein Engagement und seine Mitarbeit in den so wichtigen Gründungsjahren des Vereins“ würdigte ihn der neue Vorstandsvorsitzende, Jürgen Pirrong. Als stellvertretende Vorsitzende wurde Anna Jutz gewählt. Lena Kast wurde als Schatzmeisterin bestätigt. Allen dreien wünschen wir Kraft und Ausdauer bei der Vorstandsarbeit. Das Team der Geschäftsstelle freut sich auf eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit.

Pressemitteilung: Geflüchtete Frauen und Mädchen nur unzureichend gegen Gewalt geschützt!

Gemeinsame Presseerklärung von PRO ASYL, Flüchtlingsräten und der Universität Göttingen

Ein aktueller Bericht zu Gewalt gegen Frauen macht deutlich: Deutschland hat die Istanbul-Konvention mangelhaft umgesetzt. Weibliche Asylsuchende und ihre geschlechtsspezifischen Fluchtgründe werden kaum in den Blick genommen. Das offenbart eine Untersuchung von PRO ASYL, den Flüchtlingsräten und dem Institut für Kulturanthropologie der Universität Göttingen.

Vor wenigen Wochen kritisierten deutsche Politiker*innen, dass die Türkei aus der Istanbul-Konvention ausgetreten ist, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Was dabei aus dem Blickfeld gerät: Das Abkommen ist hierzulande zwar in Kraft, die Umsetzung jedoch mangelhaft.

Die Bundesrepublik hat sich dazu verpflichtet, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung ihrer Diskriminierung zu leisten sowie ihre Gleichstellung und ihre Rechte zu fördern. Geflüchtete Frauen und Mädchen sind in besonderer Weise von Gewalt bedroht und betroffen. Doch sie fallen in vielerlei Hinsicht durchs Raster – sei es bei der Erkennung der Vulnerabilität, im Bereich der Unterbringung, bei der Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Asylgründe oder wenn es um psychologische Beratung geht. Das ist das Ergebnis eines heute veröffentlichten Schattenberichts von PRO ASYL und Partnern an ein Expertengremium des Europarats (Grevio), das die Einhaltung der Istanbul-Konvention überwacht. Diese gilt in Deutschland wie ein Bundesgesetz – die Bundesregierung verletzt also mit der Nichteinhaltung des Abkommens ihre eigenen Gesetze. 

Es beginnt bereits bei der Ankunft: Besonders gefährdete Schutzsuchende – sogenannte vulnerable Personen – werden als solche häufig gar nicht erkannt. Eine unmittelbare Folge ist, dass von Gewalt betroffene Frauen keine angemessene psychosoziale und medizinische Versorgung erhalten und kaum Unterstützung erfahren. Letztendlich droht auch, dass ihnen der nötige asylrechtliche Schutz versagt bleibt. Andrea Kothen von PRO ASYL: „Wir brauchen die bundesweite Einführung eines transparenten und flächendeckenden Identifizierungsverfahrens vulnerabler Personen. Nur wenn es hierfür ein einheitliches, verbindliches System gibt, kann in der Folge sichergestellt werden, dass die betroffenen Frauen ihre Rechte wahrnehmen können.“

Vergewaltigungen und Genitalbeschneidung als Fluchtgrund

Viele geflüchtete Frauen stammen aus patriarchal geprägten Gesellschaften oder aus Ländern, in denen sie aufgrund von Kriegs- und Krisensituationen besonders gefährdet sind. Ihre Fluchtgründe sind vielfältig: Genitalbeschneidung, straffrei bleibende Vergewaltigungen, Zwangsheiraten auch von minderjährigen Mädchen, häusliche Gewalt, Entführungen, Vergewaltigungen als Kriegswaffe und anderes. Der Anteil der Fälle, in denen Frauen aufgrund geschlechtsspezifischer Gründe Flüchtlingsschutz erhalten, müsste hoch sein – ist er aber nicht. Im Schattenbericht wird festgestellt: Etliche Frauen dürften durch die Raster einer nicht ausreichend sensibilisierten Asylstruktur fallen.

Selbst benannte geschlechtsspezifische Gewalt führt oft nicht zur Flüchtlingsanerkennung. Gewalt an Frauen wird nach wie vor in den Asylverfahren nicht hinreichend thematisiert. Sie wird nicht selten im Bereich „privater Lebensführung“ verortet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist hier gefordert, zu einer verbesserten Anerkennungspraxis zu kommen. In den Anhörungen müssten Frauen aktiv, trauma- und gendersensibel ermutigt werden, von Gewalterfahrungen zu berichten. Überdies sollte das BAMF eine aussagekräftige Statistik zur Berücksichtigung von geschlechtsspezifischer Gewalt im Asylverfahren einführen.

Gewalt in Sammelunterkünften – Ankerzentren gehören abgeschafft!

Ein großes Problem beim Thema Gewaltschutz bleibt die Unterbringung von Geflüchteten in großen Sammelunterkünften – trotz etlicher Versuche, die Situation zu verbessern. Die Angst vor Übergriffen durch männliche Bewohner, Security-Personal oder sonstige Angestellte gehört für viele Frauen zum Alltag – zum Beispiel, weil sie in vielen Unterkünften noch nicht einmal ihr Zimmer abschließen können. Fehlende Privatsphäre und die Abgelegenheit der Unterkünfte vergrößern diese Gefahr. „Sammelunterkünfte sind konflikt- und gewaltfördernd. Die Ankerzentren und ähnliche Einrichtungen gehören deshalb ein für allemal abgeschafft“, fordert Simone Eiler vom Flüchtlingsrat Bayern.

Frauen, die von Gewalt betroffen sind, haben gemäß Istanbul-Konvention Anspruch auf umfassende Gesundheitsleistungen. Laura Müller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen erklärt: „In der Praxis bleiben Frauen nötige Gesundheitsleistungen und Unterstützung häufig verwehrt. Dies gilt besonders für den Aufenthalt in der Erstaufnahme und die Inanspruchnahme von psychosozialer Versorgung und Therapie. Auch Dolmetscher*innen gibt es im medizinischen Bereich immer noch nicht in ausreichendem Maße.“

Es bleibt also noch viel zu tun, um allen Frauen ein Leben in Sicherheit und Würde in Deutschland zu ermöglichen. „Insgesamt wird sichtbar, dass das Asyl- und Aufenthaltsrecht an vielen Stellen in einem eklatanten Widerspruch zum Gewaltschutz steht“, erklärt Prof. Dr. Sabine Hess vom Institut für Kulturanthropologie der Universität Göttingen, das den Schattenbericht mitverantwortet.

Dies gilt nicht nur für Deutschland: Die Bundesregierung sollte sich auch dafür einsetzen, dass „ein Europa frei von Gewalt gegen Frauen“, wie es in der Präambel der Istanbul-Konvention als Ziel formuliert ist, Realität wird. Dies erscheint nicht möglich ohne grundlegende Änderungen in der Europäischen Asylpolitik, für die Deutschland eine Mitverantwortung trägt.

Eine ausführliche Zusammenfassung finden Sie hier.