Diese Woche wird im Bundestag über den Haushalt 2025 verhandelt – dabei darf das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan nicht in Vergessenheit geraten. Die Flüchtlingsräte Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Berlin und der Afghanische Stammtisch Schleswig-Holstein fordern die Weiterführung des lebensrettenden Aufnahmeprogramms und einen bundesweiten Abschiebungsstopp von Afghan*innen in Deutschland.
Nachdem der Haushaltsentwurf der Ampel-Regierung für 2025 zunächst eine 90-prozentige Kürzung des Bundesaufnahmeprogramms (BAP) vorsah, schien das BAP am Mittwochabend, den 06.11.2024, gerettet. Doch wenige Stunden danach brach die Regierungskoalition auseinander. „Die aktuellen Haushaltsverhandlungen müssen das BAP weiterhin berücksichtigen und fortfinanzieren- ein Ende des Programms würde tausende gefährdete und aufnahmeberechtige Afghan*innen ihrem Schicksal überlassen,“ mahnt Annika Kristeit vom Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz.
Verschärfte Bedrohungslage durch die Taliban
Seit über drei Jahren sind die Taliban in Afghanistan wieder an der Macht und üben eine Schreckensherrschaft aus. Vor allem Mädchen, Frauen, die LGBTQIA+ Community und Menschen, denen westliche Verhaltensweisen oder Einstellungen unterstellt werden, leiden massiv unter dem Regime und den immer neuen Einschränkungen. Frauen wurden durch das im August 2024 verabschiedete Tugend-Gesetzespaket im wahrsten Sinne des Wortes mundtot gemacht. Sie dürfen sich öffentlich fast nicht mehr äußern, da die weibliche Stimme „intim“ sei. Sie müssen ihre Körper vollständig verschleiern. Ihnen werden die Rechte auf Bildung, Arbeit und notwendige medizinische Versorgung verwehrt. Faktisch herrscht in Afghanistan Gender-Apartheid, die mittlerweile auch vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Gerichtshof als solche gebrandmarkt wurde.
Durch die Tugend-Gesetze ist das Verbot von Homosexualität nun auch gesetzlich verankert. Angehörige der LGBTQIA+ Community werden öffentlich ausgepeitscht. Körperliche Strafen sind unter den Taliban an der Tagesordnung. Afghan*innen, die zuvor mit westlichen NGOs oder Regierungen zusammengearbeitet haben (Ortskräfte) sind ebenfalls besonders gefährdet, von den Taliban verschleppt und inhaftiert zu werden.
Schleppendes Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan
Über das Bundesaufnahmeprogramm sollten besonders gefährdete Afghan*innen in Deutschland Schutz erhalten. Das am 17.10.2022 angelaufene Programm sah vor, bis zum geplanten Ende der Ampel-Legislaturperiode bis zu 1.000 gefährdete Personen pro Monat aufzunehmen – 36.000 Personen insgesamt. Doch diesem Versprechen wird Deutschland bislang nicht gerecht: Gerade einmal 692 Personen sind bisher über das Programm nach Deutschland eingereist, obwohl es bis dato bereits 24.000 hätten sein müssen (Stand Oktober 2024).
Die deutsche Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Dazu gehören legale Einreisemöglichkeiten für besonders gefährdete Afghan*innen und die Schaffung von nachhaltigen Bleibeperspektiven. Zudem muss das BAMF das EuGH Urteil vom 4. Oktober (Az. C-608/22 und C-609/22) in der Praxis konsequent umsetzen, das regelmäßig die Gruppenverfolgung für Frauen in Afghanistan feststellt, und allen afghanischen Frauen auf der Basis ihres Geschlechts und ihrer Herkunft Asyl gewähren. Abschiebungen nach Afghanistan, wie es sie am 30. August 2024 in Kollaboration mit Qatar gab, verurteilen wir grundsätzlich und appellieren an die deutsche Bundesregierung jegliche Kooperation mit dem Terrorregime der Taliban zu unterlassen, sei es direkt oder über Bande.
Weitere Informationen erhalten Sie bei der aktuellen Afghanistan-Veranstaltungsreihe (online) der Flüchtlingsräte Schleswig-Holstein und Berlin und des Afghanischen Stammtischs Schleswig-Holstein und direkt bei den unterzeichnenden Organisationen.