Rechtsstaatsgebot verbietet Abschiebungen in den Folterstaat Syrien

Pressemitteilung der Landesflüchtlingsräte und von Pro Asyl

Rechtsstaatsgebot verbietet Abschiebungen in den Folterstaat Syrien
#SyriaNotSafe! Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL kritisieren leichtfertiges, Menschenleben gefährdendes Gerede einiger Innenminister aus Bund und Ländern.


Nach dem tödlichen Anschlag in der Dresdner Innenstadt Anfang Oktober fordern die ersten Innenminister, vermeintliche „Gefährder*innen“ nach Syrien abzuschieben. Die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL erteilen solcher Instrumentalisierung vermuteter islamistischer Gewalt zur Demontage des Flüchtlingsschutzes eine klare Absage.

„Unser tiefstes Beileid gilt den Angehörigen des Opfers, der verletzten Person wünschen wir eine schnelle Genesung“, erklärt Paula Moser vom sächsischen Flüchtlingsrat und ergänzt: „Allerdings ist anstatt politischen Missbrauchs der Opfer durch einige Innenminister, ein rechtsstaatlicher Prozess notwendig.“ Die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL unterstreichen: „Extremistischer Hass schlägt oft willkürlich zu. Die Abschiebung von ‚Gefährder*innen‘ nach Syrien ist eine Nebelkerze und trägt weder zur Sicherheit aller in der Bundesrepublik noch anderen Orts bei.“

Syrien ist – sowohl unter Bashar al-Assad wie in Herrschaftsgebieten extremistischer Aufständischer – ein Folterstaat. Das Flüchtlingshochkommissariat der UN (UNHCR) erklärt zur internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus Syrien, dass ganze Gruppen von Familien, religiöse oder ethnische Gemeinschaften, ganze Dörfer, Städte und Nachbarschaften unter Generalverdacht gestellt und verfolgt werden.  Dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zufolge wurden ganze Städte und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und entvölkert. Die Zahl der Binnenvertriebenen geht in die Millionen. Selbst einige humanitäre Akteure setzen ihre Arbeit wegen der unsicheren Lage aus.  Amnesty berichtet über die landesweit und systematisch gegen die Zivilbevölkerung und zivile Institutionen gerichtete Gewalt.  Auch das Auswärtige Amt weist auf die Praxis des Verschwindenlassens hin und darauf, dass es keine verfolgungssicheren Gebiete in Syrien gibt.

Vor diesem Hintergrund ist das leichtfertige Gerede über angeblich sichere Gebiete, in die Syrer*innen abgeschoben werden könnten, wie es Bundesinnenminister und seiner Kollegen unter anderem aus Sachsen und Bayern dieser Tage in die Medien lancieren, fahrlässig und menschengefährdend.

Offenbar soll von interessierter politischer Seite das öffentliche Klima gegen syrische Flüchtlinge geschürt und so ein Abschiebungsbeschluss der im Dezember in Weimar anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) schon im Vorfeld populär gemacht werden. In Rheinland-Pfalz gibt es bis jetzt noch keine Tendenzen nach Syrien abzuschieben. Der rheinland-pfälzische Flüchtlingsrat begrüßt diese Haltung und bestärkt die Landesregierung dabeizubleiben.  

Hintergrund:

Rechtsstaatliches Gebot verbietet Abschiebungen in einen Folterstaat.

Eine Abschiebung in einen Folterstaat, mit akuter Gefahr für Leib und Leben ist menschenrechtswidrig. Das Refoulement-Verbot aus Art. 3 EMRK gilt absolut und lässt –anders als Art. 33 Abs. 2 GFK – keine Ausnahmen zu. Der EGMR hat ausdrücklich und wiederholt festgestellt, dass der Refoulement-Schutz der EMRK ausnahmslos gilt und über den Schutz der GFK hinausgeht. Die menschenrechtlichen Vorgaben gehen daher dem allgemeinen Flüchtlingsschutz auch dort vor, wo die GFK eigentlich eine Rückschiebung erlauben würde.  Dieses Europarechtsstaatsgebot steht also Versuchen entgegen, mit dem Begriff des*der Gefährder*in Menschen abschiebungsreif zu behaupten.

Würde die Person sehenden Auges der im Herkunftsland verbreiteten Folter oder Todesgefahr ausgeliefert werden, wäre die Bundesrepublik verantwortlich. Auch Boris Pistorius, niedersächsischer Innenminister, hatte an die Einhaltung völkerrechtlicher Grundsätze appelliert.  Bei den Landesflüchtlingsräten steht darüber hinaus die Sorge im Raum, dass die Aufhebung des Abschiebestopps bei „Gefährder*innen“ die Tür für weitere Aufweichungen öffne. Gleiches ist in der Praxis von Abschiebungen nach Afghanistan zu beobachten.

Das Ausmaß des Folterregimes Assads wird auch durch das aktuelle Strafverfahren am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz deutlich, bei dem zwei Menschen syrischer Staatsbürgerschaft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt werden. Das OLG Koblenz wendet das Weltrechtsprinzip an, bei dem Staaten auch Straftaten außerhalb der eigenen Justiziabilität verfolgen und verurteilen können, wenn Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen vorliegen. Es wäre indes doppelzüngig, wenn Deutschland mutmaßliche Folterer strafrechtlich verfolgt und gleichzeitig via Abschiebung den Folterknechten in Syrien zuarbeitet und neue Opfer schafft.

Offener Brief gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Verschiedene Organisationen und Vereine fordern in einem offenen Brief an den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat und den Bundesminister des Auswärtigen Amtes den Abschiebestopp nach Afghanistan. In Afghanistan herrscht seit Jahrzehnten Krieg und die humanitäre Situation ist unter anderem aufgrund der COVID-10 Situation katastrophal.
Ihr könnt helfen, indem ihr folgende Petition unterschreibt: https://weact.campact.de/petitions/offener-brief-gegen-abschiebungen-nach-afghanistan

Forderungen nach einem Landesaufnahmeprogramm in Rheinland-Pfalz

Anlässlich des Feuers im Camp Moria in der Nacht vom achten auf den neunten September wird im Rahmen einer weiteren Online-Petition die sofortige Evakuierung der Menschen dort gefordert. Unterschreibt und teilt die Petition!

Zuvor riefen Ende April 2020 Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtverbände und Nichtregierungsorganisationen sowie Menschen aus der Zivilbevölkerung aus Rheinland-Pfalz zu einem dauerhaften Landesaufnahmeprogramm auf. Der AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V. unterstützte ebenfalls diese Forderung. Im Rahmen einer Online-Petition wurde eine jährliche Aufnahme von 1.000 besonders verletzlichen Flüchtlingen aus verschiedenen Erstaufnahmeländern gefordert. Darüber hinaus sollte die rheinland-pfälzische Landesregierung der Bundesregierung eine verbindliche Zusage für die überquotale Aufnahme von 200 Flüchtlingen geben. Die Petition lief bis zum 31.08.2020.
Insgesamt unterstützten 2.600 Menschen und Initiativen die Forderungen nach einem eigenständigen Landesaufnahmeprogramm in Rheinland-Pfalz. Ende September wurden die Unterschriften an Integrationsministerin Anne Spiegel übergeben. Die Pressemitteilung dazu finden sie hier.

Demo: Solidarity and Resistance (SAR)

Der Protest geht weiter – in Mainz und ganz Europa am 11. Oktober!

Moria, Sinnbild des europäischen Lagerwahnsinns, liegt in Schutt und Asche. Jedwede Existenzgrundlage verloren, fristen Tausenden Menschen eingepfercht zwischen Straßensperren und Tränengas ein Leben unter freiem Himmel, um letztendlich in ein weiteres Provisorium Namens Kara-Tepe II getrieben zu werden…
Den Gewalten der Hochsee ausgeliefert, fliehen Menschen auf Schlauchbooten in europäischen Such- und Rettungszonen unter Angabe von Positionsdaten über #Alarmphone tagelang um Hilfe rufend, um auf die Ignoranz zuständiger Seenotreetungsleitstellen zu stoßen…
Allein im Septeber 2020 verloren mehr als 190 Menschen bei mindestens sechs Schiffsunglücken ihr Leben. Das ist die Bilanz des mörderischen EU-Abschottungsregimes vor der libyschen Küste.
Die Politik reagiert:
– Italien untersagt den Start von Flugzeugen der zivilen Luftaufklärung und setzt Rettungsschiffe von NGOs aufgrund zu vieler Rettungswesten fest.
– Die Europäische Kommission schlägt einen Migrations- und Flüchtlingspakt vor, der das Ankommen und die Integration von Geflüchteten in einer mit dem Friedensnobelpreis gekürten Region zu verhindern versucht (Link)
– Die Bundesregierung akzeptiert eine Novellierung der Sportboot- und Schiffssicherheitsverordnung aus der Feder von Andreas Scheuer und Horst Seehofer, welche de facto das Auslaufen von vier einsatzbereiten Schiffen der einzig verbliebenen Seenotrettungsflotte im Mittelmeer verhindert.
Wir antworten:

-Das ist eine Politik, die gezielt Menschen auf der Flucht aus der europäischen Gemeinschaft rauszuhalten versucht.
-Auf der andern Seite wirbt insbesondere Deutschland um den Zuzug von Fachkräften zur Sicherung unserer Sozialsysteme.
-Wir erkennen und verurteilen dieses Verwertungsdenken als Rassismus!

Darum protestieren wir! Unterstützt uns dabei zu verhindern, dass niemand von irgendetwas gewusst haben will.

Tragt orange, seid laut und bringt eure Freund*innen, Transpis, Trillerpfeifen, Trommeln und (!) euren Mund- und Nasenschutz mit ♥.